Montag, 8. März 2010

Zhang Shuai Qi

Da es in Xiamen bei ca. 12°C und starker Bewölkung sowie Nieselregen momentan eher ungemütlich ist, habe ich befunden mich bei einer Tasse Jacobs-Kaffee (Das ist hier eine Rarität und gibt es nur bei uns in der WG!!!) mal wieder hinzusetzen und ein paar Zeilen zu schreiben. 

Mittlerweile hat sich bei mir sowas wie ein gewisser Alltag eingestellt, da die Uni seit letzter Woche in vollem Gange ist und ich jeden Tag auch 4 Studen Chinesischunterricht habe. Und das Verrückteste dabei ist, dass ich somit täglich 8.00Uhr in der Uni auf der Matte stehen muss um den weisen Worten meiner Lehrer zu lauschen. Dabei ist auch zu erwähnen, dass mich der "unviversitäre" Kulturschock härter getroffen hat als der Klassische! Die Lehrmethoden unterscheiden sich schon signifikant von denen in Deutschland und der Unterricht läuft im Grunde wie in der Schule ab: Es gibt Klassenlehrer, eine Klassengemeinschaft, die unbedingt (!) gepflegt werden muss (Punkt 4 der Schulordnung), man wird mit Namen angesprochen und muss Hausaufgaben machen. Das hat natürlich den Vorteil, dass man immer am Ball bleibt und dass die Lehrer auf einen zugehen, wenn man mal auf die "schiefe Bahn" gerät, was ich sehr löblich finde. Auf der anderen Seite geht es aber nicht so zackig voran, wie man es aus der Uni in Deutschland kennt und das pausenlose Nachsprechen diverser Frasen, die der Lehrer vorgibt, verursacht am frühen Morgen eher Kopfschmerzen als Lerneffekte. Dennoch denke ich, dass ich hier berzüglich der Sprache einiges lernen kann und werde - auch wenn an vielen Stellen sehr sozialistische Tendenzen das Bildungsumfeld prägen. =) Und wenn man nach einem harten Unitag nach Hause kommt und bei 28°C und Sonnenschein so einen Blick genießen kann, dann kommt man auch schnell wieder auf andere Gedanken. ;-)


Neben meine Sprachkursen habe ich aber auch noch einige Wirtschaftskurse zu absolvieren, welche immer die amüsanteste Zeit an der Uni bieten. Das Gute ist, dass die entsprechenden Dozenten ein relativ gutes Englisch sprechen und auch die Studenten in fremdsprachlicher Hinsicht zumindest soviel drauf haben, dass man interessante Diskussionen führen kann. Das ist in Xiamen keinesfalls die Regel und ohne grundlegende Chinesischkenntnisse bzw. ein kompetentes "Sinologen-Team" (Romy, Hui, Novi, Maria etc. :D) sind die Möglichkeiten doch eher beschränkt. Jedenfalls, machen die Management- bzw. Economics-Kurse Spaß, da wir von unseren chinesischen Komilitonen und Professoren sehr herzlich Willkommen gehießen wurden und man sich als Deutscher Management Student alles irgendwie locker aus dem Ärmel schütteln kann. Also wer hier irgendwelche HARTEN Business-Vorlsungen erwartet, wird bitter enttäuscht werden - auch wenn wir als Bachelorstudenten schon Masterveranstaltungen besuchen. Der Hauptinhalt einer Veranstaltung  lag zum Beispiel darin, sich in verschieden Teams einen Teamnamen, Slogan sowie ein Logo zu überlegen und dann in einer Präsentation das gesamte Team vorzustellen. Das ist ja soweit noch alles irgendwo im Rahmen, aber als dann einige der chinesischen Studenten zur Vorstellung angefangen haben zu singen bzw. angeboten haben, Schweine von ihrer persönlichen Farm mitzubringen, damit man im Kurs mal eine "Kleingkeit" kochen kann, war dann auch die letzte Ernsthaftigkeit dahin. Das interessante dabei ist aber, dass sowas zu chinesischen Mentalität halt einfach dazugehört und es ist auf jeden Fall spannend zu sehen, wie unterschiedlich doch die Herangehensweisen im Vergleich zur europäischen Kultur sind.

Ein weiteres Highlight der letzten Woche ist dann das Abendessen am Montag gewesen, zu dem wir von der Dekanin der School of Economics, an der wir hier in Xiamen eingeschrieben sind, geladen wurden. Neben Caro, Christian (meine Komilitonen aus Magdeburg) war auch Franziska mit ihrer Familie dabei. Franziska ist die eine wissenschaftliche Mitarbeiterin der Uni Magdeburg und wird auch meine Bachelorarbeit betreuen. Sie ist hier um eine Umfrage für ihre Dissertation durchzuführen, auf der ich auch gedenke meine Arbeit aufzubauen. Bei dem besagten Essen wurde dann jedenfalls nur das Beste vom Besten aufgetischt und neben marinierten Riesengarnelen, leckeren Muscheln, einem guten Rotwein und tausend anderen Sachen gab es sogar Steak! Dann wurde noch mehrfach auf die gute Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Universiäten angestoßen und diverse Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht. Desweiteren haben Franzi und die Dekanin noch ein paar Absprachen bzgl. der Umfrage getroffen und am nächsten Tag haben wir dann auch die erste Befragungsrunde mit 150 chinesischen Studenten durchgeführt, welcher ich beiwohnen durfte.

Ansonsten kommt natürlich auch die Freizeitgestaltung nicht zu kurz und so ist unsere WG, neuerdings auch "Sky-Office" genannt, regelmäßig der Schauplatz diverse Videoabende und "Sit-In-Sessions" geworden. Dabei bekommen unsere Freunde, die wir liebevoll "Kellerkinder" nennen, da sie nur im 17. oder 22. Stock wohnen, auch mal die Gelegenheit  Höhenluft im 33. Stock zu schnuppern. =)

Hui und ich zu Hause im "Büro"

Weiterhin wird es meine werte Mama auch freuen, dass meine "hausmännlichen" Fähigkeiten ganz stark gefordert werden: Bei der Waschmaschine gibt es genau ein Programm, so dass ich garantiert nichts falsch machen kann; Bügeln kann ich jetzt auch schon sehr gut, indem ich meine Hemden zum "Bügelsalon" vor der Haustür bringe, wo das Glätten zu wie von selbst erfolgt; die Fingernägel kann man sich für ca. 1€ im Nagelstudio bei der Maniküre schneiden und pflegen lassen und auf dem nächsten Bild bin ich gerade in unserer Küche am Kochen. ;-)

Novi, Romy und Hui machen Tintenfischpfanne mit Gemüse (Ich bin dabei aber keinesweges Faul gewesen und habe versucht unsere Wohnung trocken zu legen, die auf Grund der hohen Luftfeuchte mehr oder weniger unter Wasser stand!) 

Am vorletzten Wochenende bin ich dann mit Novi, Christian und Caro sowie Jane - einer chinesischen Freundin von Novi - auf dem Xiamener Laternenfestival gewesen. Dieses hat am Abend auf einer Insel, welche in einem See mitten in Xiamen zu finden ist, stattgefunden und war sehr imposant, da das nächtliche Xiamen schon seinen Reiz hat und auch die ganzen "Illuminationen" in Form von Laternen sehr liebevoll, wenn auch etwas kitschig, also typisch chinesisch, gestaltet waren. Und das Beste an dem Abend war, dass Jane Christian und mich dann noch mit chinesischen Namen ausgestattet hat. So nennt man Christian jetzt "Zhang Lao Hu", was soviel heißt wie "Alter Tiger". Mir hat Jane den Namen "Zhang Shuai Qi" vorgeschlagen, was "handsome" - also gutaussehend - bedeutet. Dem wollte ich natürlich nicht wiedersprechen und trage jetzt auch einen Namen, den jeder Chinese ohne weiteres aussprechen kann. 

Der See in Xiamen: Schauplatz des Laternenfestes und unser lieblings Jogging-Track


leuchtende Blümchen :-)


Caro, Christian, Novi und Jane

Am vergangenen Wochenende wurden wir dann wieder von 2 Chinesinnen, die mit Romy befreundet sind (Emma und Eva) auf das Festland von Xiamen entführt, wo wir einen Expo-Garden besuchten, welcher als Messeort gedient hat, an dem sich 2008 alle Provinzen China's präsentiert haben. Nach unserer dortigen Ankunft haben wir uns erstmal wieder chinesische Freunde gesucht, die uns eine Fahne geliehen haben, mit der Timo zunächst schaugelaufen ist. Später wurden wir wieder von einer Familie mit Kind und Kegel beäugt, die uns dann auch um ein Foto gebeten haben, was wir als "kosmopolitische Weltbürger" selbstverständlich begrüßt haben. 


Als wir dann unsere Einzugsrituale beendet hatten, mieteten wir uns ein Elektroauto samt Fahrer, da sich das gesamte Messegelände über mehrere Inseln erstreckt hat und somit zu Fuß nur schwer zu erschließen gewesen wäre - vor allem waren wir am vorherigen Abend mal wieder das Nachtleben von Xiamen genießen und da stand es um unsere physische Kondition nicht gar so gut. Der Messepark an sich hat uns allen aber sehr gut gefallen, da alles sehr schön Grün war und man mal wieder in den Genuss von frischer Luft gekommen ist, was man in Xiamen-Downtown schon ein wenig vermisst. Darüberhinaus waren die Gebäude, Skulpturen und Gartenanlagen im traditionellen Stil gehalten, was für eine recht idyllische Stimmung gesorgt hat.

Ronny, Novi, Ich, Maria, Munya, Emma, Eva und Timo



Munya und die Mädels ;-)


Am Abend sind wir dann alle gemeinsam noch was Essen gegangen um anschließend tot ins Bettchen zu fallen. Am Sonntag war dann Chinesisch lernen angesagt, was lediglich durch ein kurzes Mittagessen beim Italiener unterbrochen wurde  - Luigi, attenzione prego! - Als ich am Abend wieder bettreif gewesen bin hat mich Novi dann noch dazu verpflichtet weiterzulernen, was sich irgendwie bis 01.00Uhr Nachts hingezogen hat und ich durfte meine noch ausbaufähige Kompentenz im Schriftzeichen schreiben unter Beweis stellen. Also nicht das jemand denkt, ich mache nur Urlaub und Highlife - das chinesisch Lernen muss man schon ernst nehmen und damit kann man auch Nächte zubringen. Und Bertze: Die damit einhergehende Erschöpfung kann in der Tat eine "emotionale Aufweichung" hervorrufen, man mag es kaum glauben... ;-)